Kleine Dorfgeschichte


Hainau – ein kleines unscheinbares Dörfchen

62 Häuser, 175 Einwohner, Friedhof, ein Dorfgemeinschaftshaus, ein Feuerwehrhaus, ein Tennisplatz. Drei Landwirte, nur noch einer davon mit Viehzucht.
Keine Schule, kein Kindergarten, kein Pfarrhaus oder Kirche/Kapelle, kein Arzt, kein Geschäft, kein Gasthaus, kein Handwerksbetrieb.

Aber eine gute friedliche Dorfgemeinschaft. Eine freiwillige Feuerwehr. Drei Vereine.
Und ein bisschen Stolz über eine tausendjährige Geschichte, und dass wir ein Dorf mit zwei Namen sind.

 

Besiedelt in römischer Zeit

Ziegelfunde auf einem Acker im Südosten der Gemarkung Hainau beim früher so genannten Flurstück „Am Hospitalhof“ sind handfeste Spuren und Zeugnisse für eine frühe Besiedlung. Sie reicht sicher in die römische Zeit zurück, also in die Zeit des Limes, der 3 – 4 km weiter östlich verlief (Kastell Marienfels, Kastell Hunzel, Kleinkastelle Pohl und Pfarrhofen).

Im Schutz dieses Grenzwalles hatten sich nicht nur am Rhein Städte, Dörfer und landwirtschaftliche sowie handwerkliche Betriebe entwickelt, sondern auf den anschließenden Hochflächen des Schiefergebirges waren auch Gutshöfe (villae rusticae) entstanden, die zur Versorgung der stadtartigen Siedlungen und Militärlager mit Lebensmitteln entscheidend beitrugen.

Es gibt manche Anhaltspunkte, dass auch in der Ortslage von Hainau selbst ein römischer Gutshof lag.

 

 

Geschichte des Ortsnamens

Auch die Geschichte des Ortsnamens weist in diese Richtung.

„Hainau“ heißt unser Dorf ja erst seit 1971. Damals wurde der frühere Name „Pissighofen“ ersetzt durch einen damaligen Flurnamen – eben „Hainau“.

EIN NEUER NAME MUSS HER

stempel1Letzter und erster Poststempel

Der Gemeinderat unter Vorsitz von Bürgermeister Redert forderte im Juli die Einwohner zu einer Abstimmung über eine Umbenennung auf.
Mit überwältigender Mehrheit von 147 Stimmen zu 8 Enthaltungen bei 13 Gegenstimmen erklärten sich die Pissighofener zur Namensänderung bereit.
Ein kleines Taunusdorf wurde mit einem Male zum bundesweiten Gesprächsgegenstand.
Durch die Anzeigen in den Medien prächtig gefördert gab es aus ganz Deutschland über 150 Namensvorschläge, die zumindest teilweise vom großen Phantasiereichtum ihrer Begründer zeugen.
Der Gemeinderat blieb letztendlich aber bodenständig und wählte den Namen Hainau, einer Gemarkungsbezeichnung an der Miehlener Grenze, an der hier einmal ein Kloster gestanden haben soll.

Am ersten Februar 1971 erfolgte die offizielle Umbenennung. „Pissighofen“ verschwand in der Geschichte und „Hainau“ nahm seinen Platz ein.

Das WAPPEN

Selbstverständlich wurde ein angemessenes Wappen geschaffen: der Hainbuchenzweig in der Pfote des Wappenlöwens symbolisiert den Namen. Das Wappentier deutet auf die Zugehörigkeit zum Herzogtum Nassau hin.

Wappen Hainau frei

 


 

Wahrscheinlich ist es gut, für Namensdeutungen nicht von der letzten Fassung Pissighofen auszugehen, sondern von der ältesten dokumentierten Schreibweise: Pischingehova. Der zweite Teil dieses Namens weist auf einen „Hof“ hin, was ja bei einigen Dörfern in der Nachbarschaft auch zu finden ist (Himmighofen, Ruppertshofen, Endlichhofen, Singhofen…).

Aber warum sollten sich die Römer, entgegen der typischen Gewohnheiten bei der Anlage von „villae rusticae“, in unserem Fall einmal im Talgrund angesiedelt haben?

Höchstwahrscheinlich, um den Bach zu nutzen. Der könnte den Betrieb einer Mühle (der regelmäßige Betrieb von römischen Wassermühlen ist allgemein bekannt) ermöglicht oder einen Fischteich mit Wasser versorgt haben. Solche Fischteiche wurden im lateinischen piscina genannt.

Von piscina bis Pischinge ist es nicht weit gedacht.

Vielleicht war Pischinge Hova der Hof am Fischteich oder der Hof mit Fischteich. Diese Namensdeutung weist also über die fränkische Siedlungszeit hinaus in römische Überlieferung.

 

Erste urkundliche Erwähnung des Dorfes

Aus einer alten Urkunde geht hervor, dass eine christliche Frauengemeinschaft – „St. Hippolyt“ – in einem Stift in Gerresheim, heute Ortsteil von Düsseldorf schon vor 922 landwirtschaftlichen Besitz in „Pischingehova“ hatte.

Dieses Kloster hatte der fränkische Adlige Gerricus etwa in der Mitte des 9. Jahrhunderts gegründet und mit Stiftungen ausgestattet, die Lebensunterhalt und Ausbau der notwendigen Gebäude ermöglichten.Im Jahre 919 brandschatzte eine kleine Streitmacht von Magyaren das Stift in Gerresheim und zerstörte es fast vollständig. Die Äbtissin Lantsuinda und die Nonnen konnten samt den Reliquien des Stiftspatrons, des Heiligen Hippolyt, in das Kölner Sankt-Ursula-Kloster der 11000 Jungfrauen flüchten. Der Kölner Erzbischof Hermann I. nahm die Frauengemeinschaft unter seinen Schutz.

Im Jahre 922 bestätigte der Erzbischof vor vielen Zeugen den Stiftsfrauen für ihr wieder aufgebautes Stift ihre bisherigen Besitztümer. Die Bestätigungsurkunde enthält über 50 Ortsnamen, darunter den unseres Dorfes Pischingehova.


Urkunde Hainau

 

 

Der Satz auf deutsch:

„Im Ort Pischingehoua Wiesen zu 6 Fudern (Heu) und 1 Acker zu 4 Morgen.“

 

 

 

 

Wechselnde Herrschaft

Wir wissen nicht, wie lange die Verbindung zwischen Pischingehova und Gerresheim bestand. In der Folgezeit belegen Dokumente jedoch verschiedene Wechsel der Herrschaft, bevor das Dorf 1774 an Hessen fällt und schließlich seit 1946 zu Rheinland-Pfalz gehört.

1144/5 wird in einer Urkunde erwähnt, dass die Abtei Arnstein in „Pissinhophen“ zwei Huben besaß. Die Dauer des klösterlichen Besitzes lässt sich nicht feststellen. 1311 heißt es, dass das Kloster Marienstatt bei Hadamar in Pissighofen ein Hofgut hat.

1356: Katzenelnboger Besitz. Im „Weistum“ (=Rechtsquellensammlung) von 1361 gehört Pissighofen mit seinen südlichen und westlichen Nachbardörfern (außer Gemmerich) zum Bereich Ruppertshofen (Gerichts- und Kirchort). Jetzt spricht man vom „Vierherrischen“, weil 75 Ortschaften der ehemals katzenelnbogischen Niedergrafschaft im Einrich durch Erbteilungen und Hochzeiten im gemeinsamen Besitz von bis zu vier verschiedenen Herrscherhäusern waren (Katzenelnbogen, Nassau-Dillenburg, Nassau-Idstein und Nassau-Weilburg).

Schon im 15. Jh. begann eine „Expansion“ Hessens, das unseren Bereich mehr und mehr aus der vierherrischen Herrschaft herauslöste.

Unter hessischer Herrschaft

1500 fiel der Einrich oder das „Blaue Ländchen“ an den hessischen Landgrafen Wilhelm II. in Kassel, der die gesamten hessischen Lande wieder unter einer Herrschaft vereinigte.

Bald nach 1550 beginnt ein Grenzstreit um die „Schadenshecke“, womit Felder und Wälder nördlich des Baches gemeint sind. Das Dorf selbst mit dem südlichen Teil seiner Gemarkung war unbestritten hessisch.

Erst 1773/1774 wird dieser Grenzstreit beendet. Ein Bericht des Amtes Nassau stellte damals fest, dass Hessen sich im Besitz des strittigen Stückes zu erhalten gewusst habe und es schwerlich wieder herausgeben werde. So fand der Grenzstreit auf der „Nastätter Konferenz“ zugunsten Hessens sein Ende.


Die Gemarkung

 

 

 

 

 

 

Einen kleinen Überblick zur Entwicklung der Gemarkung finden Sie hier!

 

 

Kirche, Schule, Bildung

Ruppertshofen war seit eh und je Kirchdorf und Gerichtsplatz.

1527 begann der Landesherr Philipp der Großmütige, in der Niedergrafschaft die lutherische Reformation einzuführen. Das brachte Gottesdienste in deutscher Sprache und die Gründung von Volksschulen in allen Kirchorten.

Die Kinder mussten also dort in die Schule gehen – nicht leicht bei einem nie gut ausgebauten Fußweg von 3½ Kilometern.

Die Kirchspielschule Ruppertshofen wurde 1817 aufgelöst. Bei Ruppertshofen blieb nur Endlichhofen. Oelsberg und Bogel erhielten eigene Schulen, Kasdorf kam nach Himmighofen und Pissighofen nach Gemmerich.

Zeitweilig wurden ab 1837 die Pissighöfer Kinder auch in Gemmerich konfirmiert.

Am 1. April 1954 wurde die Gemeindezugehörigkeit der evangelischen Einwohner geändert. Nun gehören sie nicht mehr zu Ruppertshofen, sondern zum näher gelegenen Gemmerich und dem dortigen Pfarramt.

 

Eine eigene Schule

Ein eigenes Schulgebäude gab es in Pissighofen seit 1890. In den beiden Weltkriegen mussten die Schulkinder meistens nach Gemmerich gehen, weil ihre Lehrer als Soldaten eingezogen wurden. Die eigene Schulgeschichte des Dorfes endete 1965 mit der Errichtung der zentralen Grundschule in Miehlen. Seitdem wird das Gebäude als Wohnhaus genutzt.

 

Wasserleitung

Im Jahre 1866 wurde eine Quelle in den Wiesen westlich des Orts gefasst. Im Dorf wurden zwei Laufbrunnen aufgestellt, der eine am Backhaus und der andere ungefähr 100 m weiter östlich davon.

1912 wurde (gegen einigen Widerstand im Dorf) eine Wasserleitung gebaut, die in jedes Haus und jeden Viehstall Wasser brachte.

 

Gemeindehaus

2. Gemeindehaus von 1911

2. Gemeindehaus von 1911

 

Im Ortsplan von 1826 ist ein „Rath-Hauß“ eingezeichnet. 1911 brannte es nach dem Blitzschlag eines heftigen Gewitters völlig ab. Der Neubau erfolgte wohl sehr schnell im nächsten oder übernächsten Jahr. Es ist aber kein Einweihungstermin bekannt.

1946 musste das Haus gründlich renoviert werden. 1964 wurde es durch einen völligen Neubau ersetzt. 2000 erfolgte ein Umbau, bei dem ein großer Saal angefügt wurde.

Die verschiedenen Gemeindehäuser trugen wohl immer in einem Dachreiter eine Glocke, mit dem vor allem die Uhrzeiten angezeigt wurden. Das älteste Gebäude enthielt vielleicht auch eine Schmiede und eine Schulstube. Später war hier das Dorf-Backhaus untergebracht. Man schuf auch Platz für das erste Feuerwehrfahrzeug. Im Haus von 1964 war eine Gemeinschafts-Gefrieranlage installiert.

 

Elektrizität

Wahrscheinlich kam elektrischer Strom erst nach dem 1. Weltkrieg im Jahr 1919/20 ins Dorf.

 

Die Technik zieht in die Landwirtschaft ein und die Motorisierung des Ortes beginnt

Pläne zweier Dreschmaschinengesellschaften von 1914 für die Anschaffung von Dreschmaschinen und den Bau ihrer Hallen konnten erst nach dem Krieg verwirklicht werden. In den „Fünfzigern“ setzt dann auch die Motorisierung im Dorf ein.

 

Die Weltkriege

Ehrenmal der Gefallenen der Weltkriege

Ehrenmal der Gefallenen der Weltkriege

 

 

 

 

 

 

 

Die Weltkriege des 20. Jahrhunderts forderten auch in Hainau ihre Opfer. Die 21 Jahre dazwischen waren geprägt durch die Folgen des 1 Weltkrieges und die Weltwirtschaftskrise, die allen das Leben schwer machten und die Bereitschaft förderten, sich nationalsozialistischem Gedankengut zu öffnen.

 

 

Erster Weltkrieg
30 Männer des Dorfes mussten zwischen 1914 und 1918 Kriegsdienst leisten. 6 von ihnen fielen. Ihre Namen sind auf dem Ehrenmal des Friedhofs festgehalten. Das Dorf aber hat sonst keine Erinnerungen an diese Männer und ihre Familien aufbewahrt.

Zwischen den Weltkriegen

Die 21 Jahre zwischen den beiden großen Kriegen waren schwierige Jahre. Da gab es nicht nur den gekränkten Nationalstolz, sondern da gab es plötzlich Kriegerwitwen und Kriegswaisen. In Form der französischen Besatzung kam der Krieg sozusagen nachträglich noch direkt ins Dorf. Die Schule funktionierte erst wieder allmählich. Die Inflation und die Weltwirtschaftskrise machte eine positive Entwicklung lange unmöglich. Die Feldarbeit brachte nur genug für die vordringlichen Lebensbedürfnisse. An Ausbau und Renovierung, gar an Neubauten im Dorf war überhaupt nicht zu denken.

Und dann gab es hier die Lehrer Hartmann und Presser, die weder demokratisch eingestellt noch ausgebildet waren. Von ihnen kam keinerlei Anstoß, die Schuld an der Kriegsniederlage auch in der verfehlten Politik das Kaisers und der Mächtigen zu suchen. Auf verschiedenen Wegen arbeiteten sie im Grunde an einer Wiederherstellung der gekränkten Volksehre. Zunehmend führten sie nationalsozialistisches Gedankengut und Brauchtum ins Dorf ein, z.B. durch gemeinsame „Bildungsveranstaltungen“ am einzigen Rundfunkgerät des Dorfes, das in der Schule stand, oder durch „völkische“ Dorffeste.

Dreiviertel wählten 1932 Adolf Hitler

Bei den letzten freien Wahlen für den Reichstag in Berlin gaben bereits 72% der Stimmberechtigten Adolf Hitler und seiner NSDAP ihre Stimme.

Zweiter Weltkrieg

Auf dem Ehrenmal des Friedhofs werden 10 gefallene Männer genannt. In der Dorfchronik finden sich außerdem Ergebnisse von Nachforschungen über den Tod dieser Männer.
Eine Dorfbewohnerin kommt bei einem Luftangriff in Lahnstein ums Leben.
Es gibt Augenzeugenberichte über die letzten Kriegsmonate, die Einquartierungen, Flugzeugabstürze in der Nähe des Dorfes.

Das Ehrenmal für die Gefallenen der Weltkriege

 


 

Wichtige Ereignisse nach dem 2. Weltkrieg in Stichworten:

1969: Auf dem Friedhof wird eine Halle für die Beerdigungen gebaut.

1971: Umbenennung des Dorfes von Pissighofen in Hainau.

1979: Der Trimm-Club wird gegründet, der sich sehr erfolgreich entwickelt und seit 1987 eine Tennisanlage mit zwei Plätzen betreibt.

1998: Einweihung des Feuerwehrgerätehauses beim neuen Dorfplatz.

Anschluss der Abwasserleitung an das neue Klärwerk Marienfels

2000: Einweihung des erweiterten Gemeindehauses.

2010-2011: Erneuerung von Wasserleitung und Abwasser-Kanal in der Brücken- und Brühlstraße.

2014: Die vorerst letzte Flurbereinigung („Bodenordnung“) wird abgeschlossen.

 

Strukturwandel

Es verschwinden Einrichtungen, die früher selbstverständlich waren und das Dorfleben bereichert haben:

  • Schule
  • Gaststätte
  • Gemischtwaren-Lädchen
  • Post

Frühere Vereine:

  • Ortsgruppe des Kyffhäuser-Bundes
  • Schützenverein
  • Männer-Gesangsverein
  • Beerdigungschor
  • Turnverein

In einer Liste von 1945 steht, dass es damals 123 Kühe im Dorf gab, verteilt auf 25 Höfe. Keiner hatte mehr als 7 Kühe. Heute gibt es drei landwirtschaftliche Betriebe, von denen nur noch einer Viehzucht betreibt. Er hat etwa 140 „Stück Rindvieh“, aber die Milcherzeugung ist in Hainau schon lange eingestellt worden.

 

Zusammenstellung dieser kurzen Zusammenfassung durch Paul Martin Clotz,Verfasser der Dorfchronik, die 2014 erschien. Sie ist erhältlich beim Ortsbürgermeister

buergermeister@hainau.de